„Die Würde des Menschen ist unantastbar“, so steht es im Grundgesetz, das seit Mai 1949 gilt. Das heißt, dass jeder Mensch in seiner Persönlichkeit zu achten ist. Dazu gehört auch seine ganz eigene Sexualität.
Trotzdem hat der Bundestag erst heute vor 30 Jahren beschlossen, dass Homosexualität nicht mehr strafbar ist. Paragraph 175, der damals im Strafgesetzbuch die Strafen dafür festgelegt hatte, wurde am 10. März 1994 aus dem Strafgesetzbuch entfernt.
Homosexualität bedeutet, dass sich Menschen zu Menschen des gleichen Geschlechts sexuell hingezogen fühlen: Schwule Männer lieben Männer, lesbische Frauen lieben Frauen.
Altes Gesetz aus der deutschen Kaiserzeit
Der Paragraph 175 war sehr alt. Er wurde bereits im Jahr 1872 in Deutschland eingeführt. Er besagte, dass Männer für gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen mit Gefängnis bestraft wurden. Außerdem wurde ihre bürgerliche Ehre aberkannt. Immer wieder wurde in den folgenden Jahren der Wortlaut des Gesetzes verändert. Aber erst 122 Jahre später wurde er ganz aus dem Gesetzbuch der Bundesrepublik Deutschland entfernt. In der DDR galt das Gesetz bis 1968.
Viel Leid, viele Opfer
Insgesamt kamen über 100.000 Männer wegen des Gesetzes ins Gefängnis. Während des Nationalsozialismus wurde es weiter verschärft, Homosexuelle wurden inhaftiert, in Konzentrationslagern eingesperrt oder sogar ermordet. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg wurden bis in die 1960er Jahre noch über 40.000 Männer verfolgt und verurteilt. 1969 wurde das Gesetz verändert: Homosexuelle Handlungen zwischen Erwachsenen waren nicht mehr strafbar und Homosexualität nicht mehr verboten. Aber erst 25 Jahre später, nach der Vereinigung von BRD und DDR, wurde der Paragraph ganz gestrichen. Seitdem ist Homosexualität ganz offiziell kein Unrecht und keine Straftat.
Vom Grundgesetz geschützt
Das Grundgesetz schützt alle Menschen in Deutschland. Egal, welche sexuelle Orientierung sie haben: niemand darf deswegen ausgegrenzt, benachteiligt, beschimpft oder angefeindet werden. Leider ist das auch heute noch nicht selbstverständlich. Viele Menschen brauchen großen Mut, um sich zu ihrer sexuellen Neigung oder ihrer Identität zu bekennen. Dabei gehören die persönliche Entfaltung des Menschen, die Vielfalt von Lebensentwürfen und Orientierungen zu den Grundmerkmalen unserer demokratischen Gesellschaft.