Die Europäische Union, wie wir sie kennen, hat eine längere Vorgeschichte: Im Zweiten Weltkrieg haben die europäischenStaaten gegeneinander gekämpft und schreckliches Leid wurde über die Menschen und Länder gebracht. Viele Politikerinnen und Politiker wollten nach dem Krieg deshalb alles versuchen, um Frieden in Europa langfristig zu schaffen. Frieden in einem freien Europa mit gemeinsamen Werte – dies sollte Wirklichkeit werden.
„Die Zukunft wird nicht durch Gewalt geschaffen und auch nicht durch den Wunsch nach Eroberung, sondern durch die geduldige Anwendung der demokratischen Methode, durch den konstruktiven Geist der Einigung und durch den Respekt für die Freiheit.“ — Alcide De Gasperi
Wir stellen sechs Persönlichkeiten vor, die sich für diese Idee einsetzten. Sie sind ein Beispiel dafür, dass die europäische Einigung ohne persönliches Engagement von vielen Menschen nicht entstanden wäre. Und das gilt bis heute: Europa braucht begeisterte und engagierte Menschen, um die Idee des Lebens in Freiheit und Frieden zu bewahren.
Alcide de Gasperi (1881-1954) war ein italienischer Staatsmann. Nach dem Zweiten Weltkrieg war er von 1945 bis 1954 Ministerpräsident seines Landes. Er setzte sich für die europäische Einheit ein, weil er das als einzige Möglichkeit sah, künftige Konflikte zwischen den europäischen Staaten zu verhindern. Er wollte aber nicht die einzelnen Staaten abschaffen, sondern setzte sich vielmehr für Zusammenarbeit und gegenseitige Unterstützung ein.
Ein wichtiger Schritt auf diesem Weg war schließlich 1952 die Gründung der sogenannten Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS, oft sagt man auch „Montanunion“). Zum ersten Mal haben sechs europäische Staaten (Frankreich, Italien, Belgien, NiederlandeLuxemburg und Bundesrepublik Deutschland) beschlossen, in Europa zusammenzuarbeiten. Damit sind sie die ersten Schritte auf dem Weg zur Europäischen Union gegangen. De Gasperi wurde der erste Präsident der Versammlung der EGKS, aus der später das Europäische Parlament hervorging. Gemeinsam mit Robert Schuman und dem ersten deutschen Bundeskanzler Konrad Adenauer gilt de Gasperi als einer der Gründerväter der Europäischen Union.
Robert Schuman (1886-1963) gilt als einer der Mitbegründer der Europäischen Union. Er war ein französischer Politiker mit ursprünglich deutscher Staatsbürgerschaft, der in Luxemburg geboren wurde. Im Zweiten Weltkriegs schloss er sich dem französischen Widerstand gegen die deutsche Besatzung an. Nach dem Krieg setzte er sich als französischer Außenminister für die Aussöhnung zwischen Deutschland und Frankreich und für ein geeintes Europa ein. Berühmt wurde seine Rede am 9. Mai 1950, als er den sogenannten Schuman-Plan vorstellte. Er sprach sich aus für eine Zusammenlegung der deutschen und französischen Stahlproduktion und für eine Neugestaltung Europas. Nur wenn alte Feindschaften zwischen europäischen überwunden werden, so seine Überzeugung, könne ein neuer Krieg verhindert werden. Ein Jahr nach Schumans Rede wurde die „Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl“ (abgekürzt EGKS, man sagt oft auch „Montanunion“) und eine Gemeinsame Versammlung der EGKS gegründet. Diese Versammlung nannte sich ab 1958 „Europäisches Parlament“. Zum ersten Präsidenten des Europäischen Parlaments wurde Robert Schuman gewählt. Dieses erste Europäische Parlament hatte noch nicht die Zuständigkeiten wie das heutige EU-Parlament, aber es war ein wichtiger auf dem Weg zu einer guten Zusammenarbeit der europäischen Staaten.
Die EU begeht jedes Jahr am 9. Mai den Europatag. Es ist der Jahrestag der Schuman-Rede, in der neue Ideen der politischen Zusammenarbeit entwickelt wurden.
Louise Weiss (1893-1983) war eine französische Schriftstellerin, Journalistin und Politikerin. Sie setzte sich schon als junge Frau für die internationale Zusammenarbeit, das europäische Zusammenwachsen und Frauenrechte ein. Nach dem Ersten Weltkrieg reiste sie durch Europa, schrieb Artikel und Aufsätze und berichtete insbesondere aus Osteuropa über die politischen Verhältnisse. Sie war Herausgeberin der international sehr angesehenen Zeitschrift „L’Europe nouvelle“ (Neues Europa) Mit großer Leidenschaft setzte sie sich für den Frieden und für die Rechte der Frauen ein. Ein ganz besonderes Anliegen war für sie, endlich das Frauenwahlrecht in ihrem Land einzuführen. (In Frankreich dauerte es bis 1944, dass die Frauen wählen durften). Im Zweiten Weltkrieg half sie, Tausende von jüdischen Kindern vor den Nazis zu retten.
Nach dem Zweiten Weltkrieg gründete Louise Weiss ein Institut zur Kriegs- und Konfliktforschung, reiste viel, drehte Dokumentarfilme und schrieb für bekannte Zeitungen und Zeitschriften. Sie forderte ein geeintes Europa als Gegenpol gegen die Supermächte USA und Sowjetunion. Im Alter von 86 Jahren wurde sie 1979 erstmals in das Europäische Parlament gewählt und hielt als Alterspräsidentin die Eröffnungsrede. Sie blieb bis zu ihrem Tod Abgeordnete in Straßburg. Das Europäische Parlament in Straßburg benannte sein Hauptgebäude nach Louise Weiss und ehrte damit ihre Verdienste um Europa.
Melina Mercouri (1920-1994) war eine berühmte Schauspielerin und Musikerin, die in ihrer HeimatGriechenland aber auch darüber hinaus bekannt war. Nachdem in Griechenland 1967 das Militär die demokratischeRegierung gestürzt hatte, nutzte Mercouri ihre Bekanntheit, kritisierte öffentlich die Militärregierung und setzte sich für die Demokratie ein. Nach der Wiedererlangung der Demokratie in Griechenland beendete sie ihre künstlerische Karriere und wurde Politikerin. Als griechische Kulturministerin organisierte sie das erste Treffen aller EU-Kulturminister/-innen. Sie ermutigte ihre Kolleginnen und Kollegen in den anderen europäischen Ländern dafür zu sorgen, dass die Menschen die Bedeutung von Kultur erleben. Sie wollte, dass die Menschen erfahren, wie bedeutsam Kunst und kultureller Austausch für das Zusammenleben der Menschen ist. Sie hatte 1985 die Idee, jedes Jahr eine andere europäische Stadt zur Kulturhauptstadt zu ernennen. Dadurch wollte sie den Menschen das kulturelleErbe Europas näherbringen. Bis heute werden jedes Jahr eine oder mehrere Städte zu europäischen Kulturhauptstädten ernannt.
Simone Veil (1927-2017) war eine französische Politikerin. Sie wurde die erste weibliche Präsidentin des Europäischen Parlaments. Im Zweiten Weltkrieg wurde Veil, die einen jüdischen Vater hatte, in die KonzentrationslagerAuschwitz und Bergen-Belsen verschleppt und kurz vor Kriegsende von den britischen Truppen befreit. Nach dem Krieg wurde sie Richterin und 1974 zur französischen Gesundheitsministerin ernannt. Bei den ersten Direktwahlen zum Europäischen Parlament 1979 wurde sie ins Europäische Parlament gewählt. Das Parlament wählte sie in seiner ersten Sitzung zur Präsidentin. Simone Veil setzte sich mit großem persönlichen Einsatz für die Versöhnung zwischen den Völkern, insbesondere die Aussöhnung zwischen Frankreich und Deutschland, ein. Die Integration Europas, also das wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Zusammenarbeiten der europäischen Staaten, blieb Simone Veil solange sie lebte wichtig. Nach ihrem Tod wurde sie in Frankreich besonders geehrt: Eine 2-Euro-Gedenkmünze mit ihrem Bild wurde in 15 Millionen Exemplaren in Umlauf gebracht. Auf der Münze sieht man Veils Gesicht, ihre Häftlingsnummer im KZ und den Sitzungssaal des Europäischen Parlaments.
Václav Havel (1936-2011) war Schriftsteller und Havel (1936-2011) war Schriftsteller und ein engagierter Kämpfer für die Menschenrechte in der ehemaligen Tschechoslowakei. Die Tschechoslowakei gehörte nach dem Zweiten Weltkrieg zum Ostblock und lag im Einflussbereich der Sowjetunion. Es gab viele Menschen, die die kommunistische Diktatur in ihrem Land ablehnten. Zu ihnen gehörte Václav Havel. Er war Mitgründer der Oppositionsbewegung „Charta 77“, die vor allem die Menschenrechtsverletzungen der kommunistischen Regierung öffentlich machte. Havel wurde fünf Jahre ins Gefängnis gesperrt, weil er sich für Demokratie einsetzte. Nach dem Sturz der kommunistischen Regierung Ende 1989 wurde er Staatspräsident der Tschechoslowakei Nach der friedlichen Trennung von Tschechien und Slowakei in zwei Staaten wurde Havel 1993 Präsident der TschechischenRepublik. Václav Havel war zeitlebens ein überzeugter Europäer. Er setzte sich ein für die europäische Integration, einen engen Zusammenschluss der europäischen Staaten. Als Staatspräsident legte er den Grundstein für den Beitritt der Tschechischen Republik zur EU. Er betonte immer wieder die Bedeutung der europäischen Zusammenarbeit auf der Grundlage gemeinsamer Werte. Václav Habel erhielt zahlreiche Ehrungen. Seit 2017 trägt eines der Gebäude des Europäischen Parlaments in Straßburg seinen Namen.
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