Hanisauland: Lexikon @todo: aus Preprocess

Chris Columbus, der die ersten beiden Teilen inszenierte, ist inzwischen in die Riege der Produzenten übergewechselt. Mit der Regie des dritten Teils wurde der aus Mexiko stammende Alfonso Cuaron beauftragt, der schon mit seinem anrührenden amerikanischen Debütfilm „Kleine Prinzessin“ bewiesen hat, dass er gut auf Kinder eingehen kann und ein Gespür für die Visualisierung magischer Welten hat. Cuaron hat sich weitgehend an die Romanvorlage von J. K. Rowling gehalten, allerdings einige Ereignisse verdichtet oder in einen anderen Zeitablauf gebracht und trotz der vorgegebenen Sets aus den ersten Teilen durch andere Requisiten und Kameraeinstellungen einen eigenen Stil geschaffen. Der dritte Teil wirkt insgesamt moderner, zeitgemäßer - auch in der Kleidung der Zauberschüler; Schuluniformen wie auch Freizeitlook wirken typisch für heutige Jugendliche.

Sehr dem Zeitgeist entsprechend wirkt auch die dramaturgische und optische Umsetzung der Handlung mit zahlreichen Anleihen aus anderen Fantasy- und Actionfilmen. In knapp zweieinhalb Stunden hetzen die jungen Helden von einer Bewährungsprobe zur nächsten bis zum Etappensieg, unterstützt von aufwändiger Computeranimation. Das macht den Film einesteils noch etwas schneller, kurzweiliger, aber leider auch etwas oberflächlicher, austauschbar mit anderen (Action-)filmen. Da ist kaum noch Zeit, die Nebenfiguren auszuschmücken, der Schulalltag findet nur noch ansatzweise statt, die Beziehungen zwischen den Zauberlehrlingen werden auf die Dimensionen Freund oder Feind reduziert. Harry, Ron und Hermine sind viel zu sehr mit ihren eigenen Aktivitäten beschäftigt, als dass sie ihre Freundschaft wirklich weiter entwickeln könnten. Und dass Hermine nicht nur zum schlagfertigen, sondern auch schlagkräftigen Supergirl aufsteigt, das es in punkto Mut und Intelligenz spielend mit Harry aufnehmen kann, bekommen zwar die Zuschauer, aber offenbar kaum die anderen Filmfiguren mit.
Im Gegensatz zu den ersten beiden Teilen wurde der Film von der FSK erst ab 12 Jahren freigegeben. Harry und seine Freunde sind den Kinderschuhen nun entwachsen und mitten in der Pubertät. Formal findet das seine Entsprechung in der Abwendung von Fabel und gruseligem Zaubermärchen hin zum Kino des Fantastischen, in dem Dreifachdecker gegen die Fahrtrichtung durch London rasen, nackte Werwölfe ihr Unwesen treiben oder urzeitlich wirkende Tiere gegeneinander kämpfen. Selbst die Flugszenen mit dem Hippogreif, halb Pferd, halb Adler, haben die Unschuld von beispielsweise Michael Endes Glücksdrachen Fuchur längst abgelegt und erinnern eher an das Verhalten junger Air-Force-Piloten in Actionfilmen.

Romanserie und gleichnamige Filmserie vermitteln eine selten so umfassend und fantasievoll in einem Medium „dokumentierte“ Initiationsreise von der Welt des Kindes in die der Erwachsenen mit allen typischen Problemen und Konflikten, die dabei auftauchen. Auch der dritte Teil handelt von diesen Stationen des Erwachsenwerdens und da er den Übergang zur Pubertät markiert, wirken die Brüche vielleicht besonders stark. Man vermisst, was die ersten Teile noch hatten, den spielerischen Umgang mit Konflikten. Neu ist hingegen beispielsweise die reflektierende Auseinandersetzung mit der Umwelt. Wer das Buch schon gelesen hat, weiß bereits um das besondere Geheimnis, das den Gefangenen von Askaban umgibt. Dennoch verliert der Film dadurch nur wenig an Spannung, denn nicht die Enthüllung dieses Geheimnisses steht im Mittelpunkt der Handlung, sondern die Entdeckung einer neuen Perspektive.

Harry lernt, nicht nur seine Umwelt in einem anderen Licht zu sehen (und besser darauf reagieren zu können), sondern entwickelt auch eine differenziertere Sicht auf die eigene Familiengeschichte. So beeinflussen zunächst Vorurteile und Halbwahrheiten seine Handlungen. Die Relativität seiner Wahrnehmungen und Vorstellungen zeigt sich daran, dass Feinde zu lieben Freunden werden und unschuldig wirkende Wesen im Kern böse sein können. Zum Finale hin begeben sich Harry und Hermine auf eine kleine Zeitreise, die ihnen (auch kameratechnisch gesehen) diesen neuen Blick auf ihre scheinbar objektive Realität ermöglicht. So darf man auf die weitere Entwicklung der kleinen Helden gespannt sein und hoffen, dass ihnen die Regie dann auch wieder etwas mehr von dem zubilligt, was nicht nur im Lehrplan für Mut- und Bewährungsproben steht. Dies ist der Inhalt des Akkordeons.