Hanisauland: Lexikon @todo: aus Preprocess

Mike Newell ist nach Chris Columbus (Teil 1 und 2) und Alfonso Cuaron (Teil 3) der erste Potter-Regisseur, der auch selbst aus Großbritannien stammt und sich besonders um ein entsprechendes Lokalkolorit adäquat zur literarischen Vorlage kümmerte. Er inszenierte den vierten Teil überwiegend wie einen Thriller, nahm sich aber zugleich weitere Genres des Unterhaltungskinos zum Vorbild. So erinnert beispielsweise Moodys Mantel stark an das Outfit der Helden in einem Italowestern und die nächtlichen Szenen im Labyrinth und auf dem Friedhof sind ganz im Stil eines Horrorfilms gedreht, der die verzerrte Wirklichkeitswahrnehmung der Protagonisten mit düsteren Lichtstimmungen unterstreicht. Erstmals in diesem Teil erscheint auch der von Ralph Fiennes gespielte Lord Voldemort in einer menschlichen Gestalt, die das abgrundtief Böse versinnbildlicht. Um die gruselige Situation des Lords im Showdown mit Harrry Potter noch zu verstärken, wurde sein Gesicht im Film später digital nachbereitet.
Ohne umfangreiche digitale Effekte unter anderem mit Hilfe des Blue-Screen-Verfahrens, mit dem sich beliebige Hintergründe einblenden lassen, sowie waghalsigen Stunts und aufwändig erstellten Studiokulissen wäre die visuelle Gestaltung der drei Aufgaben, denen sich Harry im Turnier unterziehen muss, ohnehin nicht möglich gewesen. Der Drachenkampf geht weit über die Buchvorlage hinaus, ist opulent in das schottische Hochland eingebunden und ganz als Fantasy-Abenteuer inszeniert. Die Szenen im Schwarzen See wurden in einem riesigen Unterwasserbecken mit 330 m² Grundfläche und sieben Meter Wassertiefe gedreht, eine besondere sportliche Herausforderung für Daniel Radcliffe, den Darsteller von Harry, der in dieser Tiefe ohne Atemgerät so spielen musste, als ob er problemlos durch Kiemen atmen könnte. Das lebende Labyrinth schließlich entstand mit Hilfe von riesigen hydraulischen Wänden. Manchmal stehen die spannenden Actionszenen gar zu sehr im Mittelpunkt des Films. Die Handlung wird jedoch öfters durch Szenen aufgebrochen, die das Verhalten der Teenager in ihrer Pubertät spiegeln und insbesondere die Unsicherheiten der Jungen gegenüber dem weiblichen Geschlecht thematisieren, etwa wenn Harry seine Angebetete Cho Chang reichlich unbeholfen und auch noch vergebens fragt, ob sie seine Tanzpartnerin werden möchte.

Das gesamte Sequel ist wie der Roman darauf angelegt, die jungen Helden in ihrer Entwicklung von Kindern hin zu jungen Erwachsenen zu begleiten. Der vierte Teil zeigt Harry und seine Freunde als pubertierende Teenager und trägt dieser Altersstufe auch filmdramaturgisch Rechnung. So stehen die Szenen im Labyrinth und bei der Begegnung mit Voldemort einem „echten“ Horrorfilm in keiner Weise nach und gehen über den nicht wirklich bedrohlichen Charme einer reinen Fantasiewelt hinaus. Selbst, wenn Harry in diesem Teil erst 14 Jahre zählt, ist unverkennbar, dass die Hauptdarsteller im wirklichen Leben bereits zwischen 15 (Emma Watson als Hermine) und 18 Jahre (Katie Leung als Cho Chang) alt sind, Daniel Radcliffe als Harry ist 16, Rupert Grint als Ron ein Jahr älter. Das gerät dem Film allerdings nicht unbedingt zum Nachteil, unterstreicht es doch zugleich die typische Sehnsucht vieler Teenager nach dem möglichst schnellen Erwachsenwerden.

Harry wird nicht etwa als Superheld präsentiert, ist vielmehr verwundbar, hat Schwächen, Zweifel und Ängste. Mit ihren magischen Künsten können die jungen Zauberer nicht das Geringste gegen die pubertäre Verwirrung ihrer Gefühle ausrichten. Ron wird auf seinen Freund Harry eifersüchtig, weil er nicht so bewundert wird wie dieser, Hermine wird weniger an ihren klugen Sprüchen gemessen als an dem, wie sie sich kleidet, und die Jungen haben plötzlich ihre liebe Not im Umgang mit dem weiblichen Geschlecht, wirken unbeholfen und zeigen in entsprechenden Situationen Angstschweiß auf der Stirn.
Nicht an allen Stellen vermag der authentisch und realistisch wirkende Inszenierungsstil allerdings ganz zu überzeugen. Einesteils verdeutlicht die Begegnung mit den beiden anderen Zauberschulen, dass auch ein junger Zauberer erst lernen muss, mit Menschen auszukommen, die anders sind. Zugleich werden diese aber auf die Klischees der französischen Anmut und der osteuropäischen Bodenständigkeit reduziert. Befremdlich wirkt es ebenfalls, wenn Harry und Ron beide ein indisches/pakistanisches Mädchen als reine "Notlösung" zur Tanzpartnerin nehmen. Viel zu wenig wird auch deutlich, dass bei der zweiten Prüfung nur Harry geglaubt hat, die im See gefangenen Freunde wären in echter Gefahr. Seine Rettungsaktion trägt ihm immerhin den moralischen Sieg ein. Der Roman ist hier differenzierter, weil er sich nicht auf die reine Handlungs- beziehungsweise Bildebene beschränkt. Aber das gehört wohl zu den in Kauf zu nehmenden Unterschieden zwischen Roman und Film: Der Roman regt mehr die Fantasie an, der Film fesselt und fasziniert – und auf beides wird ein richtiger Harry-Potter-Fan nicht verzichten wollen.