- Regie:
- Norbert Lechner
- Land und Erscheinungsjahr:
- Deutschland 2016
- Altersfreigabe der FSK:
- ab 0 Jahren
- Altersempfehlung:
- sehenswert ab 6 Jahren
- Länge:
- 92 Minuten
- Kinostart:
- 26. Mai 2016
Nur zu gerne würde die begabte elfjährige Linh aufs Gymnasium gehen. Stattdessen muss sie nach der Schule auf ihre neunjährige Schwester Tien aufpassen und der alleinerziehenden Mutter im vietnamesischen Imbiss mithelfen. Ihren Vater haben die in Deutschland geborenen Geschwister mit vietnamesischen Wurzeln nie kennengelernt. Als die Großmutter im fernen Vietnam plötzlich erkrankt, reist die Mutter zu ihr. Sie lässt die Geschwister für mehrere Wochen allein zu Haus, was aber niemand erfahren darf. Sie weiß, sie kann sich auf Linh verlassen, die für ihr Alter äußerst pflichtbewusst, selbstständig und aufopferungsvoll ist.
Vielleicht wäre sogar alles gut gelaufen ohne die elfjährige Pauline aus dem Nachbarhaus gegenüber. Diese geht eher widerwillig auf das Gymnasium, findet dort nicht die ersehnte Freundin, sondern wird ihrer roten Haare wegen gehänselt. Sie ist mit sich und ihren Eltern unzufrieden. Mit ihrem Fernrohr spioniert sie regelmäßig die Wohnungen gegenüber ihrem Fenster aus und führt genau Buch über jeden einzelnen Bewohner. Daher bekommt sie schnell mit, dass die vietnamesischen Geschwister plötzlich allein sind und die Behörden offenbar nichts davon wissen. Sie versucht, Linh damit zu erpressen. Indem sie sich in das Leben der beiden Mädchen einmischt, geraten die Dinge schnell außer Kontrolle; die Polizei, die Schule und das Jugendamt werden aufmerksam. Alle wollen sie mit der Mutter sprechen. Obendrein stiehlt ein Junge, der sich mit Tiens Hilfe Zugang zur Wohnung verschafft hat, das Geld, das für die Pacht des Imbisses vorgesehen war. Schuldbewusst und überemsig versucht Pauline, die Dinge wieder ins rechte Lot zu bringen. Zudem beginnt sie sich für das Leben in der vietnamesischen Gemeinde zu interessieren und mit den Geschwistern anzufreunden. Da die Mutter nicht da ist, um mit den Behörden zu sprechen, machen sich die Kinder auf die Suche nach dem Vater der Mädchen.
Dieser Film von Norbert Lechner ist im Rahmen der vor einigen Jahren gestarteten Initiative „Der besondere Kinderfilm“ entstanden. Mehrere Institutionen und Fernsehanstalten haben sich darin zusammengeschlossen, um Filme zu fördern, die nach originären Stoffen entstanden sind. Das sind Geschichten, die speziell für einen Film geschrieben wurden und nicht auf bereits bekannten Literaturvorlagen beruhen, die kommerziell oft erfolgreicher sind.
Dass das bereits vor Jahren ausgezeichnete Drehbuch erst jetzt verfilmt werden konnte, lag vor allem daran, dass der Regisseur große Mühe hatte, geeignete Kinderdarsteller mit vietnamesischen Wurzeln zu finden. Er suchte in der vietnamesischen Gemeinschaft, die in Deutschland etwa 100.000 Personen umfasst. Der Aufwand bei der Darstellersuche hat sich gelohnt. Lynn Dortschack spielt die wegen ihrer großen Verantwortung viel zu ernste Linh und Linda Phuong Anh Dang den trotzigen Wildfang Tien. Sie sind neben der ebenfalls aus dem Berliner Raum stammenden Lisa Bahati Wihstutz als Pauline eine Idealbesetzung. Sie spielen ihre Rollen nicht nur, sondern verkörpern sie wirklich. Und das ist bei einer Begegnung zwischen zwei verschiedenen Kulturen und Religionen unverzichtbar. Bereits die Mehrdeutigkeit des Filmtitels verweist auf die kulturelle Begegnung, die der Film ermöglicht. Während die Darstellerinnen der Mädchen sehr authentisch agieren, wirken Paulines Eltern vielleicht etwas zu klischeehaft gezeichnet. Aber dies fällt nicht sehr ins Gewicht, da sie für die erheiternden Momente dieser Komödie stehen.
Eine solche Geschichte über Freundschaft, Vertrauen und gegenseitiges Verständnis zwischen vietnamesischen und deutschen Kindern wurde im deutschen Kinderfilm bisher noch nicht erzählt. Allein das macht diese so unterhaltsame wie liebenswerte Komödie schon zu einem besonderen Kinderfilm. Zudem gelingt es ihr, die Balance zu halten zwischen eher ernsten kritischen Beobachtungen und spannenden, auch lustigen Episoden sowie geradezu magischen Momenten bei Tiens Geburtstagsfeier.
Einige Szenen mögen auf den ersten Blick etwas befremdlich erscheinen, etwa der Umstand, dass die Geschwister von der Mutter alleingelassen werden und sich auch der Vorstand der vietnamesischen Gemeinschaft kaum um sie kümmert. Linh kommentiert das im gut recherchierten Film damit, dass man in ihrer Kultur mit zwölf Jahren bereits als erwachsen gilt. Gut, dass solche Unterschiede, die zu einer echten kulturellen Begegnung gehören, nicht einfach ausgebügelt oder gar eindeutig bewertet wurden. Das erst ermöglicht ein Nachdenken darüber, was Erwachsene von ihren Kindern erwarten, was diese tatsächlich leisten können oder möchten und welche Rechte sie haben.
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