- Regie:
- Peter Payer, nach Motiven des Kinderbuchs von Christine Nöstlinger
- Land und Erscheinungsjahr:
- Oesterreich 2004
- Altersfreigabe der FSK:
- ab 0 Jahren
- Altersempfehlung:
- sehenswert ab 8 Jahren
- Länge:
- 88 Minuten
- Kinostart:
- 30. Juni 2005
Die zwölfjährige Marie aus Wien lebt zusammen mit ihren Eltern, der von ihr besonders verehrten Großmutter, dem Onkel und der Schwester ihres Vaters sowie deren Sohn in einer alten Villa, die längst renoviert werden müsste. Doch dazu fehlt der Großfamilie das Geld. Maries bodenständige Mutter ist als Stewardess ständig auf Reisen, der verträumte Vater ist als Archäologe arbeitslos geworden, seine nicht minder lebensferne Schwester hat sich der Dichtkunst verschrieben, der Onkel lebt allein für seine Blumen und die patente Großmutter investiert ihr gesamtes Vermögen in Erfindungen, ohne damit kommerziellen Erfolg zu haben. Für Marie hingegen sind der sprechende Kühlschrank, ein neurotischer Mülleimer mit Autobushaltestellenansage und andere skurrile Erfindungen unverwechselbarer Bestandteil des Hauses, das ihr viel bedeutet. Die Villa kann sogar sprechen, gibt ihre Kommentare zu aktuellen Ereignissen ab, ärgert Marie neckisch oder weckt sie liebevoll am Morgen, indem die Rollos hochgehen.
Maries behütetes Leben gerät aus den Fugen, als eines Tages eine aufdringliche Immobilienspekulantin vorbeikommt und die Familie auf diese Weise erfährt, dass die Villa bald versteigert werden soll. Die Bank möchte der Großmutter für ihre neueste Erfindung keinen weiteren Kredit mehr geben, fordert vielmehr ihre Schulden von 200.000 Euro zurück. Die Zwangsversteigerung scheint unabwendbar, falls das Geld nicht rechtzeitig zurückgezahlt wird. Die Erwachsenen haben bereits resigniert, denn woher sollten sie eine so hohe Summe nehmen? Zu allem Übel drängen Maries Freunde Konrad und Stefan gerade jetzt das Mädchen zu einer Entscheidung, mit wem von beiden sie gehen möchte. Marie zögert diese Wahl hinaus, denn sie ist auf die Hilfe beider Jungen angewiesen, wenn sie ihr Zuhause nicht verlieren will. Zunächst einmal muss sie herausfinden, welcher Betrüger der Großmutter das letzte Geld für die Entwicklung ihrer neuesten Erfindung abgenommen hat. Im Wettlauf gegen die Zeit versuchen die Kinder, das erforderliche Geld aufzutreiben, um das Haus zu retten.
Manchmal ist es von Vorteil, wenn man sich auf bisher unbekanntes Terrain wagt: Der österreichische Filmemacher Peter Payer hat bisher noch keine Kinderfilme gedreht, sich hier aber gleich an die Verfilmung eines Romans der Kinderbuchautorin Christine Nöstlinger gewagt und einen für Jung und Alt gleichermaßen sehenswerten Film geschaffen. Um die halb irreale und doch sehr realistisch wirkende Atmosphäre des skurrilen Hauses mit seinen sonderbaren Bewohnern im Film herauszuarbeiten, setzt Payer auf eine Mischung aus märchenhaften Elementen, humorvollen, mitunter sogar leicht subversiv wirkenden Szeneneinlagen und auf eine oft leicht verfremdete, im Tempo insgesamt verlangsamte und sehr bildhafte Erzählweise.
Die Erwachsenen sind in ihren Stärken und Schwächen realistisch gezeichnet, keine bloßen Karikaturen, wie in vielen thematisch ähnlich gelagerten Kinderfilmen, in denen sich Kinder gegenüber Erwachsenen behaupten müssen. Die Sängerin Nina Hagen verleiht der Villa mit ihrer charakteristischen Stimme das erforderliche Maß an Sympathie und Eigenwilligkeit. Cornelia Froboess, die ihre langjährige Karriere einst auch als Sängerin startete, gibt die Großmutter nuancenreich in einer Mischung aus Naivität und Warmherzigkeit, Hannah Tiefengraber ist in ihrer ersten Filmrolle als Marie wirklich beeindruckend und spielt ihren Part auf natürliche Weise selbstbewusst.
Eigentlich erzählt der Film zwei Geschichten, die geschickt miteinander verknüpft wurden. Die erste gibt dem Film seine Spannung, erzählt den fantasievollen Kampf Maries um die Villa und ihr Zuhause, das gleichbedeutend für Geborgenheit und Familie steht. Zwar sind die Erwachsenen oft abwesend, stehen nicht immer zur Verfügung, machen große Fehler, haben unverkennbare Schwächen. Gleichwohl hält die Familie im entscheidenden Moment der Bedrohung zusammen, ergänzt sich gegenseitig, entwickelt ungeahnte Kräfte und Energien. Selbst wenn die anderen Mitglieder der Großfamilie, die nicht immer konfliktfrei unter einem Dach lebt, Abstriche an ihrer eigenen Bequemlichkeit machen müssen, unterstützen sie am Ende doch alle Maries Vorhaben. Am Ende steht das Mädchen als große Gewinnerin da.
Insofern ist das ein Film, der besonders den Mädchen Mut macht und unmittelbar anspricht, was mit der zweiten Geschichte zusätzlich verstärkt wird. Sie handelt von der Freundschaft Maries zu drei gleichaltrigen Jungen, von denen zwei ganz offen um sie buhlen. Marie weiß zu Beginn nicht, für wen sie sich entscheiden soll, fühlt sich dieser Situation noch nicht gewachsen. Der Vater gibt ihr schließlich einen wichtigen Rat, der ihr Selbstvertrauen stärkt und den Jungen verdeutlicht, dass sie als reine Trophäe nicht zu haben ist. So ist der bereits auf mehreren deutschen und internationalen Kinderfilmfestivals programmierte Film ein positives und gelungenes Beispiel dafür, dass auch im Kinderfilmbereich kleine formale Experimente Sinn machen und frischen Wind in die dramaturgisch oft sehr ähnlich gelagerten Bahnen des Kinderfilms bringen können.
HanisauLand ist eine Webseite für Acht- bis 14jährige. Wir veröffentlichen nur Beiträge von Kindern und Jugendlichen. Gerne können Sie uns über die E-Mail-Adresse redaktion(at)hanisauland.de eine Nachricht senden.
Viele Grüße, Ihr HanisauLand-Team