- Regie:
- Marjut Komulainen, nach dem Roman von Siri Kolu
- Land und Erscheinungsjahr:
- Finnland 2015
- Altersfreigabe der FSK:
- ab 0 Jahren
- Altersempfehlung:
- sehenswert ab 6 Jahren
- Länge:
- 85 Minuten
- Kinostart:
- 3. September 2015
Die elfjährige Vilja hatte sich schon so auf die Radtour gefreut, die sie mit ihren Eltern und ihrer Schwester in den Sommerferien unternehmen wollte. Als die Entscheidung fällt, stattdessen zur Oma zu fahren, ist die Langeweile vorprogrammiert. Der Vater scheint sich ohnehin nur noch für seine neue Münzsammlung zu interessieren und mit der Schwester liegt Vilja im Dauerstreit. Auf dem Weg zur Oma wird die Familie von einer Räuberbande überfallen. Zusammen mit dem Diebesgut landet Vilja, versteckt in einem Sack, im Bus der Familie Räuberberg. Angeführt von dem Wilden Karlo und Mama Hilda gehören zur Bande ihre beiden Kinder, die Räubertochter Hele und der kleine Kalle sowie Gold-Piet, der sich der Familie vor langer Zeit angeschlossen hat.
Die Überraschung ist groß, als sie Vilja im Sack finden. Hilda will das Mädchen sofort zurückbringen, doch ihr Mann findet, Hele könne eine Freundin gut gebrauchen. Zunächst weiß Vilja nicht, was sie von den Fremden halten soll. Diese verhalten sich so seltsam und führen ihre Raubzüge mit Ausnahme der erbeuteten Süßigkeiten nicht nur zum Eigennutz durch. Einen großen Teil des erbeuteten Diebesguts verschenken sie wieder, insbesondere an bedürftige Kinder. Schon bald legt Vilja ihre Furcht und Ablehnung ab und genießt das abenteuerliche Räuberleben aus vollen Zügen. Dabei vergisst sie sogar ansatzweise ihre eigene Familie, von der sie sich nicht richtig angenommen fühlte. Sie wird zur wissbegierigen Schülerin, um möglichst schnell ein echtes Räuberkind zu werden. Umgekehrt lernt auch Familie Räuberberg eine Menge von Vilja, beispielsweise wie man richtig einkauft oder bequem an eine große Menge von Süßigkeiten kommt. Lediglich zwischen Hele und Vilja herrscht immer noch eine gewisse Distanz.
Das ändert sich erst, als Familie Räuberberg an der großen Räuberolympiade teilnimmt, zu der inzwischen auch Viljas Vater auf der Suche nach seiner Tochter gestoßen ist. Bei dieser Veranstaltung, zu der Räuber aus dem ganzen Land zusammenkommen, finden lustige und kuriose Wettkämpfe statt, um den neuen Anführer zu bestimmen. Der Wilde Karlo macht sich große Hoffnungen auf diesen begehrten Posten. Zunächst hat es den Anschein, als würde Familie Pärnänen das Rennen machen. Der Punkterückstand lässt sich nur noch einholen, wenn Hele ihr Messer mit verbundenen Augen direkt ins Ziel trifft. Doch dafür braucht man eine Partnerin, der man blind vertrauen kann.
In der Kinder- und Jugendbuchliteratur findet sich das Räuber-Motiv zuhauf. Diese tun nicht immer das Richtige, schließlich ist es verboten zu stehlen. Aber sie haben das Herz auf dem rechten Fleck. Das geht vom „Räuber Hotzenplotz“ über „Die drei Räuber“ bis zu „Ronja Räubertochter“ und weiter bis zur Figur von „Robin Hood“. In dieser langen Tradition steht der finnische Film „Vilja und die Räuber“, der nach einer Romanvorlage von Siri Kolu entstanden ist. Er wurde von der erfahrenen Schauspielerin, Drehbuchautorin und TV-Regisseurin Marjut Komulainen (Jg. 1953) umgesetzt, für die es gleichwohl ihr erster Kinofilm gewesen ist. Gedreht inmitten der weiten idyllischen finnischen Seenlandschaft im Hochsommer, stellt sich sofort eine Ferienatmosphäre ein, die von Freiheit, Unabhängigkeit und Abenteuerlust getragen ist. An den schrägen Humor, der finnischen Filmen häufig zueigen ist, muss man sich vielleicht erst gewöhnen.
Doch schon nach kurzer Zeit wird die Familie Räuberberg, werden insbesondere die drei kindlichen Hauptfiguren zu echten Sympathieträgern. Reichlich Situationskomik, wie etwa ein Pups-Wettbewerb, der durch einen Bohnenauflauf erst die richtige Duftnote erhält, sorgen für Unterhaltung und manche Überraschung. Besonders gut arbeitet der Film Viljas Entwicklung heraus. Bereits beim zweiten Badeaufenthalt am See lernt sie, das Leben zu genießen und wie man Essen aus der Pfanne ohne Besteck zu sich nimmt. Sie trägt fortan eine andere Kleidung und ihre Haare nicht mehr geflochten, sondern offen. Umgekehrt lernt die Räuberfamilie von Vilja, dass man sich ein T-Shirt auch im Laden kaufen kann und wie man im Supermarkt mit dem Einkaufswagen umgeht. Am Ende ihrer Ferien kann Vilja ihrem Vater berichten: „Ich hatte noch nie im Leben so viel Spaß!“ Und obwohl sie beruhigt feststellt, dass der Vater sich doch mehr für sie als für seine Münzsammlung interessiert, hofft sie, in den nächsten Sommerferien wieder geraubt zu werden. Eine Fortsetzung des Films steht demnach in Aussicht – und die Buchvorlagen gibt es schon.
Räuber-Geschichten für ein junges Publikum, die in der heutigen Realität angesiedelt sind, haben etwas Märchenhaftes an sich. Denn dass die Räuberfamilie über Jahre hinweg beim heutigen Stand der Technik nicht längst von der Polizei geschnappt worden wäre, ist kaum vorstellbar. Doch um Recht und Ordnung geht es in diesem Film nicht, selbst wenn er zum Nachdenken über moralische Grundsätze und soziale Gerechtigkeit anregen möchte.
Ohne das Räuberleben zu romantisieren, stellt er die Frage, welchen Stellenwert wir materiellem Wohlstand in unserem Leben Vilja lernt durch ihre Begegnung mit der Räuberfamilie, dass andere Dinge mindestens genauso wichtig sind, nämlich Freundschaft, Geborgenheit und Vertrauen. Es ist ein Lernprozess, der ihr und den Zuschauern viel Spaß macht. Er macht ihr zugleich auch Mut, etwas Neues zu wagen, sich auszuprobieren und so ein bisschen selbständiger und erwachsener zu werden. Und da Vilja und ihre neue Freundin Hele ganz im Mittelpunk stehen, ist es auch nicht weiter schlimm, dass die Rollen der Erwachsenen leicht überzogen sind. Auch das hat etwas Märchenhaftes an sich.
HanisauLand ist eine Webseite für Acht- bis 14jährige. Wir veröffentlichen nur Beiträge von Kindern und Jugendlichen. Gerne können Sie uns über die E-Mail-Adresse redaktion(at)hanisauland.de eine Nachricht senden.
Viele Grüße, Ihr HanisauLand-Team