Hanisauland: Lexikon @todo: aus Preprocess

Regisseur Johannes Schmid verfilmte mit „Blöde Mütze“ das 1999 geschriebene Romandebüt seines Bruders Thomas. Der Film ist in seiner visuellen Umsetzung sehr gelungen: Martins Schirmmütze trägt die Aufschrift Champion, was seine unbeholfene Art und sein unsicheres Auftreten wunderbar karikiert, zumal Martin auch noch Angst vor dem Wasser hat und nicht richtig schwimmen kann. Der Junge verbringt seine Freizeit am liebsten vor seinem riesigen Aquarium und flüchtet sich in erotisch angehauchte Träume von einer Badenixe, einem blonden Model für eine Sonnenschutzcreme, das er auf einem Plakat im Supermarkt entdeckt hat. Eine Zeitlupe verdeutlicht den Traumcharakter dieser Szenen und jedes Mal, wenn Martin zurück in die Realität gerissen wird, erfolgt dies in einem harten Bild- und Tonschnitt. Auch die Farbdramaturgie ist gelungen. Silke trägt einen Badeanzug in denselben Farben wie die Plastikflasche mit der beworbenen Sonnencreme. Kein Wunder also, dass Silke sich alsbald in Martins Tagträume schiebt und immer mehr zur Konkurrentin der Badenixe wird, die sich am Ende augenzwinkernd von Martin verabschiedet.

Ein schneller Wechsel von Nähe und Distanz wird zur bestimmenden Wahrnehmung der Kinder sowohl in Bezug auf ihre Eltern wie auch untereinander und in der aufkeimenden Liebe zwischen Martin und Silke. Visuell wird dieser Wechsel von der Kameraarbeit hervorgehoben. Einstellungen in der distanzierten Bildtotale, mitunter sogar im Rücken der Figuren, wechseln mit hartem Schnitt in intime Nah- und Großaufnahmen, die jede Gefühlsregung in den Gesichtern zu erfassen suchen. Mehrfach nähert sich die Kamera in einer schnellen Kranfahrt von der Vogelperspektive bis zur Großaufnahme in Augenhöhe. Die Diskrepanz zwischen realem und gewünschtem Verhalten, die für die erste Liebe typisch ist, wird beispielsweise in der Szene deutlich, als Martin in der Turnstunde von Silkes Klasse auftaucht, dort unsicher auftritt und bedrückt wieder geht. Ambivalent verhalten sich auch die drei Hauptfiguren. Martin ist schüchtern und zugleich draufgängerisch, Silke wirkt burschikos und dann wieder sehr verletzlich und Oliver gibt sich besonders cool, obwohl hinter seiner harten Schale ein besonders weicher Kern liegt.

Der Film erzählt sehr einfühlsam von den Schwierigkeiten des Erwachsenwerdens, der notwendigen Übernahme von Verantwortung, der ersten Liebe und den damit verbundenen neuen Gefühlen, der Suche nach Freunden und Vertrauen, schließlich auch von der Suche nach einem Platz in der Familie und in der Schule. Zugleich vermittelt er auch die hierbei auftauchenden Kommunikationsprobleme unter Gleichaltrigen wie auch zwischen den Generationen sowie deren Möglichkeiten der Überwindung. Nach dem viel versprechenden Auftakt droht die Literaturverfilmung allerdings zu einem Lehrstück über den Zerfall von Familienstrukturen zu werden. Die Anhäufung familiärer Probleme, vom Alkoholikervater und der sich in eine neue Liebe flüchtenden Mutter Olivers bis zur allein erziehenden Mutter von Silke und ihrem abwesenden Vater, wirkt teilweise überzogen. Der Film konzentriert sich in der zweiten Hälfte mehr auf die Auseinandersetzung der Kinder mit ihren Eltern, sodass für ihre Beziehungen untereinander, für ihre eigene Entwicklung nur noch wenig Spielraum bleibt. So verliert der Film leider etwas von seinem fulminanten Einstieg, wirkt dramaturgisch nicht immer ausgereift, lässt die Erwachsenenfiguren insgesamt zu stereotyp erscheinen.

Dank seiner gelungenen visuellen Gestaltung und der durchweg sympathisch wirkenden und jugendlichen Hauptdarsteller, deren Probleme (auch mit den Eltern) sensibel und aus ihrer Sicht dargestellt sind, wird aber doch vieles wieder wettgemacht. Und der zum großen Teil gelungene Versuch eines deutschen Kinderfilms, Anspruch und Unterhaltung zu verbinden und zeitgenössische Alltagsgeschichten für die Zielgruppe spannend und glaubwürdig zu erzählen, verdient ohnehin Respekt.