- Regie:
- Joya Thome
- Land und Erscheinungsjahr:
- Deutschland 2017
- Altersfreigabe der FSK:
- ab 0 Jahren
- Altersempfehlung:
- sehenswert ab 8 Jahren
- Länge:
- 67 Minuten
- Kinostart:
- 15. Februar 2018
Niendorf liegt mitten in der Provinz in Brandenburg. Der ländlich geprägte Ort verfügt über keine Freizeiteinrichtungen und die Erwachsenen sind fast alle berufstätig oder mit sich selbst beschäftigt. Für Kinder, die in den Sommerferien nicht in den Urlaub fahren, kann das ganz schön langweilig werden. Dennoch fährt Lea diesmal nicht mit ihren Freundinnen ins Ferienlager. Sie findet, dass sie plötzlich alle komisch geworden sind. Lea genießt stattdessen ihre Freiheit und Unabhängigkeit in vollen Zügen. Sie beobachtet mit wachem Blick, was sich im Dorf und in der Natur ereignet. In dem Musiker und Aussteiger Mark, der alleine ein altes Landgut bewohnt, hat sie zudem einen väterlichen Freund. Dieser akzeptiert sie so, wie sie ist.
Gerne würde sich Lea einer Bande von Jungen anschließen, die ebenfalls daheim geblieben sind. Mädchen sind in der eingeschworenen Bande allerdings nicht willkommen. Da die Jungen glauben, Lea würde vor Angst sofort kneifen, bieten sie ihr nach einigem Zögern eine Mutprobe an. Sie soll in einen Keller steigen und beobachten, was der Nachbar dort regelmäßig treibt. Was sie dort sieht, ist nichts Weltbewegendes, könnte den Nachbarn und seine beiden fast erwachsenen Söhne in dem kleinen Ort, in dem jeder jeden kennt, aber in Schwierigkeiten bringen. Daher verrät Lea ihr kleines Geheimnis nicht und muss eine zweite Mutprobe ablegen. Äußerlich ohne mit der Wimper zu zucken, lässt sich Lea darauf ein. Sie besteht diese Mutprobe und wird nach kurzem Murren in die Bande aufgenommen. Einem unbeschwerten Sommer voller kleiner Abenteuer scheint nun nichts mehr im Wege zu stehen. Doch dann erfahren die Kinder, dass Mark wegen hoher Steuerschulden den Bauernhof aufgeben muss und wollen ihm helfen, sein Eigentum zu behalten.
Die „Königin von Niendorf“ ist ein außergewöhnlicher Film. Wo üblicherweise das Breitwandformat genutzt wird, um die Kinder optimal in ihre unmittelbare Umgebung einzubinden, wird hier der Blickwinkel ganz auf Lea und ihre Sicht der Dinge eingeengt. Häufig erfasst die fast dokumentarisch arbeitende Kamera sie in Nah- und Großaufnahmen wie auch das, was ihre Aufmerksamkeit weckt. Ohne die alle anderen Kinderdarsteller weit überragende Lisa Moell in der Rolle von Lea wäre dieser Film kaum denkbar. Selten bringt sie ihre Gefühle unmittelbar zum Ausdruck und nur am Ende des Films huscht ein kurzes Lächeln über ihr Gesicht. Und doch schafft sie es in nahezu „königlicher“ Würde, dass man sich ganz auf ihre Person einlässt und sich ihre Neugier auf das Publikum überträgt. Gegenüber diesem Porträt eines starken und verantwortungsbewussten jungen Mädchens verblassen die Jungenfiguren deutlich. Aber es entstehen zugleich großartige Kinobilder, etwa wenn Lea plötzlich aus dem Gleisbett auftaucht, nachdem gerade ein Regionalzug über sie hinweg gerollt ist. Ohne die Jungen auch nur eines Blickes zu würdigen, geht sie einfach weg. Sie wirkt stinksauer darüber, dass man ihr eine solche Mutprobe abverlangt hat. Denn diese übersteigt die Grenzen des Zumutbaren.
Joya Thome, die Tochter des bekannten Filmemachers Rudolf Thome, hat diesen deutlich biografisch angehauchten Film ganz ohne Filmförderung mit einem minimalen Budget von 15.000 Euro gedreht. Das Geld wurde von Privatleuten zur Verfügung gestellt. Der Bauernhof, auf dem der Musiker Mark lebt, gehört ihrem Vater. Der inhaltlich und formal eindrucksvolle Film hat nach seiner Erstaufführung beim Max-Ophüls-Festival einen Siegeszug durch Festivals auf der ganzen Welt angetreten.
Der Film lebt von genauen Beobachtungen und vielen kleinen Episoden. Dennoch ist er dank seiner einfallsreichen Filmsprache spannend und nicht vorhersehbar. Viele Bilder bleiben im Gedächtnis haften. Im Besonderen die Bilder des starken Mädchens, das einerseits sehr sensibel und verantwortungsvoll handelt, sich andererseits auf die mehr als leichtsinnige Mutprobe einlässt, weil es unbedingt in die Jungenbande aufgenommen werden möchte. Aber auch das im Verschwinden begriffene Lebensgefühl einer Kindheit wird angesprochen. Einer Kindheit, in der die Kinder noch eigene sinnliche Erfahrungen inmitten der Natur machen können.
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