- Regie:
- Haifaa Al Mansour
- Land und Erscheinungsjahr:
- Saudi-Arabien/Deutschland 2012
- Altersfreigabe der FSK:
- ab 0 Jahren
- Altersempfehlung:
- sehenswert ab 8 Jahren
- Länge:
- 97 Minuten
- Kinostart:
- 28. November 2013
Die zehnjährige Wadjda (gesprochen: wodschda, mit offenem o) lebt mit ihren Eltern in einem Vorort der Stadt Riad in Saudi-Arabien. In dem strenggläubigen muslimischen Land herrschen ganz andere Sitten und Gebräuche als in Deutschland. Beispielsweise ist den Mädchen und Frauen per Gesetz untersagt, sich mit einem Fahrrad, Motorrad oder Auto selbstständig und ohne männliche Begleitung fortzubewegen. Wadjda hat dafür wenig Verständnis, denn ihr gleichaltriger Freund Abdullah besitzt ein Fahrrad. So möchte sie gemeinsam mit ihm durch die Straßen fahren und zeigen, was sie kann. Abdullah wünscht sich das genauso und lässt Wadjda heimlich auf seinem Fahrrad üben. Doch unabhängig von den Vorschriften ist ein eigenes Fahrrad für Wadjda unerschwinglich.
Ihre Eltern haben zudem gerade ganz andere Sorgen. In Saudi-Arabien zählen männliche Nachkommen weit mehr als weibliche. Auf Drängen seiner Eltern soll sich der Vater nun eine zweite Frau nehmen, obwohl er Wadjdas Mutter und seine Tochter liebt. In Deutschland wäre eine Heirat gleichzeitig mit mehreren Frauen verboten, in Saudi-Arabien ist das jedoch erlaubt. Wadjda muss also versuchen, ihr Problem selbst zu lösen. Der Händler im Laden ist bereit, das von ihr ausgesuchte Fahrrad zurückzustellen, damit niemand anders es kauft. Um das Geld aufzutreiben, erledigt Wadjda kleine Botendienste, flechtet bunte Freundschaftsbänder und verkauft selbst zusammengestellte Musikbänder. Als die Schulleitung von diesen illegalen Geschäften erfährt, droht ihr ein Schulverweis. Zu ihrem Glück wird an der Mädchenschule gerade ein Wettbewerb gestartet, wer einzelne Suren (Versabschnitte) aus dem Koran, der Heiligen Schrift der Muslime, am besten vortragen kann. Der Siegerin winkt ein stattlicher Geldpreis. Zur Verwunderung der gestrengen Lehrerin wird aus der aufmüpfigen Wadjda plötzlich eine ehrgeizige Koranschülerin. Aber selbst wenn sie das Preisgeld gewinnen sollte: Wird sie ihren Traum in einer Gesellschaft, die den Frauen weit weniger Rechte einräumt als den Männern, dennoch verwirklichen können?
Im gesamten Königreich Saudi-Arabien existiert kein einziges Kino (Stand 2013). Von einigen Fernsehproduktionen und einer kleinen Gruppe von Schauspielern abgesehen gibt es dort auch keine Tradition des Filmemachens. Daher ist Haifaa Al Mansour, die das Drehbuch zu diesem Film schrieb und auch selbst Regie führte, die erste Filmemacherin Saudi-Arabiens. Ihr Film ist zugleich der erste Spielfilm, der komplett in diesem Land gedreht wurde. Dieses bahnbrechende Vorhaben ist von der deutschen Firma Razor Film produziert worden, der Film ist also eine erste deutsch-saudi-arabische Koproduktion. In Saudi-Arabien leben Männer und Frauen in der Öffentlichkeit komplett getrennt. Allein schon das gemischte Drehteam mit Männern und Frauen war eine echte Herausforderung. Dennoch lag eine offizielle Drehgenehmigung vor. Schließlich wurde der Film zum Teil auf den Straßen der Stadt gedreht. Um mit der Religionspolizei, die über die Einhaltung der strengen Sitten wacht, nicht in Konflikt zu kommen, gab die Regisseurin ihre Regieanweisungen mitunter aus einem Auto heraus.
Eine weitere Herausforderung war es, für die Rolle der Wadjda eine geeignete Hauptdarstellerin zu finden. Denn die meisten Eltern würden es ihren Töchtern strikt untersagen, vor einer Kamera aufzutreten. Das Casting, also das Vorsprechen für diese Rolle, wurde daher nur durch Mundpropaganda angekündigt. Schließlich fand man in der damals zwölfjährigen Waad Mohammed, die schon in regionalen Theaterproduktionen mitgewirkt hatte, die Idealbesetzung. Sie ist ein richtiges Naturtalent. In ihrem wirklichen Leben geht sie übrigens in eine Privatschule. Sie besitzt ein eigenes Fahrrad – und sie möchte später vielleicht einmal professionelle Schauspielerin werden.
Es grenzt fast schon an ein kleines Wunder, dass dieser Film an Originalschauplätzen gedreht werden konnte. Er ist in seiner filmischen Umsetzung außerordentlich gut gelungen und bietet Einblicke in eine ganz andere Kultur, Religion und Gesellschaft, wobei die arabischen Gesellschaften auch unterschiedlich sind. So wurde der Film in Dubai beispielsweise begeistert aufgenommen. Nach Einschätzung der Regisseurin befindet sich Saudi-Arabien zurzeit in einer Aufbruchphase, sonst hätte der Film gar nicht entstehen können. Auch viele Handlungsdetails im Film weisen darauf hin, wie beispielsweise das Verhalten Abdullahs und des Fahrradverkäufers, aber auch das Verhalten der Mutter, die ihre Grenzen auslotet. Von der völligen Gleichstellung von Mann und Frau allerdings sind neben Saudi-Arabien auch noch viele andere Länder weit entfernt. Einen wichtigen Beitrag dazu leistet dieser Film dank einer neuen Generation an Teenagern auch in Saudi-Arabien: mit Mädchen wie Wadjda, die für ihre Träume kämpfen, und Jungen wie Abdullah, die sich von dieser Entwicklung nicht bedroht oder um ihre Privilegien gebracht sehen, sondern diese ausdrücklich wünschen und fördern.
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